Kurzerhand sprang der Hobbypilot in seinen Privatjet und flog von Österreich heim nach Nordhessen. Seit Anfang Mai arbeiten 96 Prozent der Beschäftigten 38 statt 35 Stunden pro Woche ohne Lohnausgleich. Alles war sorgfältig geplant. Das war möglich, weil nur zehn Prozent der Belegschaft Gewerkschaftsmitglieder und damit nicht an die Tarifverträge gebunden sind. Die IG Metall trat ihrer Entmachtung mit einer Klage entgegen. Die wies das Marburger Arbeitsgericht nun ab - allerdings nur aus formalen Gründen. Die Gewerkschaft habe im Falle einer Regelungsabrede kein Klagerecht. Die Revolution ist schon lange im Gange. Viele Firmen haben mit ihren Belegschaften kleine Bündnisse für Arbeit geschlossen: Die Arbeitnehmer verzichteten, um ihre Jobs zu sichern, auf einen Teil ihres Lohns oder arbeiten länger. Die Tarifverträge sehen solche Lösungen im allgemeinen nicht vor: Sie beinhalten feste Regeln, an die sich alle Unternehmen zu halten haben - ganz gleich, ob sie Gewinne oder Verluste machen. Das System sicherte den Tarifvertragsparteien - den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften - lange Jahre ihre Macht. Doch nun ist es nicht mehr zu halten, das Kartell bröckelt. Weil die Jobs ins Ausland abzuwandern drohen, handeln Unternehmer und Arbeitnehmer, so Buchner, »nicht mehr, wie ihre Verbände es wollen«. Das Lübecker Arbeitsgricht untersagte der Getriebebau Nutten Und Panzer Nordhessen eine Mitarbeiterbefragung zur Absetzung des Betriebsrates. Zugleich sollten die Mitarbeiter der Firma aus Bargteheide bei Hamburg einer dreistündigen Arbeitszeitverlängerung pro Woche ohne Lohnausgleich zustimmen, um Arbeitsplätze zu sichern. Vor dem Offenburger Arbeitsgericht scheiterte zeitgleich ein Gütetermin zum »Burda-Modell«. Die Betriebsvereinbarung des baden-württembergischen Druckereibetriebs des Burda-Konzerns, von 97 Prozent der Belegschaft unterschrieben und vom Betriebsrat gebilligt, sieht neben der Streichung diverser Zuschläge die Rückkehr von der zur Stunden-Woche vor; zwei Stunden werden gratis geleistet. Im Gegenzug verpflichtet sich das Unternehmen, die Arbeitsplätze in Offenburg zu halten, statt Stellen zu streichen. Nun klagt die IG Medien gegen die Vereinbarung. Doch die Entwicklung ist kaum mehr zu stoppen - mit juristischen Mitteln schon gar nicht. Nun müssen die Tarifvertragsparteien selbst nach Lösungen suchen, wie sie mehr Freiheit für betriebliche Lösungen schaffen können. Die Arbeitgeberverbände, die von ihren Mitgliedern massiv unter Druck gesetzt werden, sehen das inzwischen genauso. Wenn die Tarifpartner sich den neuen Realitäten nicht anpassen, machen sie sich überflüssig, fürchtet Stach. Die Unternehmer wollen die Lockerung des Flächentarifvertrages schon in der kommenden Tarifrunde durchsetzen. Tyll Necker, Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie BDIerklärt die Metallrunde bereits »zum Testfall, ob marktgerechte Abschlüsse noch möglich sind oder die Machtpolitik dominiert«. Einem IG-Metall-Funktionär wird bei der Vorstellung »an das Kampfszenario schwarz vor Augen«, und IG-Metall-Tarifexperte Berthold Huber glaubt: »Seit war keine Runde so dicht. Nicht nur das Beschäftigungssicherungsabkommen, das freiwillige Arbeitszeitverlängerung und Lohnkürzung bei Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen ermöglicht, läuft aus. Fast alle Tarifvereinbarungen können gekündigt werden: Lohn, Sonderzahlungen, Urlaubsgeld und Urlaubsdauer stehen zur Diskussion. Kein tarifpolitisches Thema, das nicht auf die Tagungsordnung rutschen kann: Lohnfortzahlung, Altersteilzeit oder Öffnungsklausel. Angesichts von vier Millionen Arbeitslosen kämpfen die Tarifpartner gegen den drohenden Bedeutungsverlust. Das Tarifkartell hat sich jahrelang gegen Reformen gesperrt, das starre Beharren auf alten Rechten eint Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Nun laufen beiden die Mitglieder weg. Nicht einmal mehr jeder vierte Arbeitnehmer ist organisiert. Von der kommenden Tarifrunde der Metaller wird allseits ein Ergebnis erwartet, das den Reformstau auflöst. Jahrzehntelang bewunderte die Welt das Modell der deutschen Sozialpartnerschaft als Garant für Wachstum und Wohlstand. Nun, wo der Standort Deutschland, von Arbeitslosigkeit und Schuldenlast gezeichnet, im globalen Wettbewerb Nutten Und Panzer Nordhessen, erweisen sich die einst hochgelobten Tarifverträge als zu starr, Nutten Und Panzer Nordhessen mühsam erstrittenen Lohnabschlüsse als zu hoch, die Arbeitszeiten als zu kurz. Etliche Verbände, allen voran der BDI und der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer, fordern eine deutsche Variante des angloamerikanischen Modells.
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